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09.05.2018

»Nein, ich hör` nicht auf zu träumen« - Konstantin Wecker im Bürgerhaus

Schwarz glänzte der große Flügel wieder in der Mitte der Bühne und er wurde diesmal begleitet von einem runden Büchertischchen am rechten Bühnenrand. Konstantin Wecker gastierte zum mittlerweile fünften Mal im Kaufunger Bürgerhaus und rund 400 Besucherinnen und Besucher freuten sich auf ein weiteres Konzerthighlight. „Klavier & Gesang – Solo mit Jo Barnikel“ lautete der Titel des diesjährigen Programms, doch es gab nicht nur erstklassige Musik, sondern viele nachdenkliche Worte und bewegende Lesungen des Münchner Künstlers. „Poesie und Musik können vielleicht die Welt nicht verändern, aber sie können denen Mut machen, die sie verändern wollen.“ Diesem Wunsch ging der Liedermacher auf seine gewohnt nachdrückliche Weise in intensiver Form nach. Der Kultsong „Willy“ – mittlerweile unglaubliche 50 Jahre alt – nahm das Publikum gleich zu Beginn gefangen. Ebenso der erste Text „Darf ich mir Luft machen“ – mit einem Rundumschlag, einer gesellschaftlich-politischen Bestandsaufnahme traf Wecker die Probleme unserer Tage im Kern. Und hielt ihnen seinen Traum von der „Poesie der Freude“ entgegen. Ein trotziges „Naiv … na und?!“ fügte er an und man hatte das Gefühl, die Fans im Saal freute es, dass da jemand mal klare Worte fand. Wecker, der Freigeist, bot der heutigen Welt trotzig seine Stirn: „Ich will lieber wahnsinnig werden, als mich diesem Wahnsinn beugen!“
Lieder, alte und sehr alte, bekannte Protestsongs und Liebeslieder, setzte er gekonnt in Szene. Dazwischen gab es immer wieder auch innere Einsichten: „Ich hatte einen fatalen Hang zur Großmannssucht.“ Spiegel seiner Seele sind von je her seine Texte, seine Musik: „Meine Lieder speisen sich immer aus der Tiefe meiner Seele.“
Jetzt mit 70 gesellt sich zum Rebellentum, zu einem lebensreichen Erfahrungsschatz und zu seiner Intelligenz eine Ahnung von Weisheit und diese attraktive Kombination bewirkte, dass es ganz still wurde im Saal, wenn er aus seinen Büchern las. Dabei entstand schnell eine persönliche Atmosphäre, das Publikum erfuhr von den Kaffeehausstunden in der Jugend, von der Flucht mit dem flötenspielenden Freund Stefan per Zug nach Augsburg, von der frühen Liebe zu Versen von Georg Trakl. Konstantin Wecker berichtete ausführlich von der besonderen Beziehung zu seinen Eltern, von Verfehlungen, die in bereits frühester Jugend im Arrest endeten – wo er wiederum ganz eigene wichtige Erfahrungen sammelte. Immer passend gewählt zu den Lesungen gab es dazu seine Lieder, von „Wenn der Sommer nicht mehr weit ist“ bis „Fangt mi wirklich koiner auf“. Er schaffte dabei spielend den Übergang zwischen kraftvollen, gesellschaftskritischen Appellen und wunderbar sanften Liebesliedern, die anrührten und zu den eigentlichen Seelentiefen des Lebens hinführten.
Besonders dicht und ergreifend wurde es, als der Künstler seine Zuhörerinnen und Zuhörer an den weisen Gedanken seines Vaters auf dem Sterbebett teilhaben ließ. Nach einer Toneinspielung vom gemeinsamen Gesang mit dem Vater in Kindheitstagen, berichtete der Künstler von der stillen Nähe, vom letzten Geleit nach Hause auf den Tönen des Gesangs. Beim folgenden, mit Musik untermalten Gedicht „An meinen Vater“ wurde es mucksmäuschenstill im Bürgerhaussaal.
Das freundschaftliche Zusammenspiel und blinde Verständnis zwischen dem Liedermacher und seinem langjährigen Bühnenbegleiter, Jo Barnikel, teils vierhändig am Flügel, begeisterte insbesondere bei der Hymne auf den Blues - auf bayerisch Wehdam.
Ein langanhaltender, stehender Applaus forderte mehrfache Zugaben. Konstantin Wecker verteilte dabei manche Umarmung im Saal und verabschiedete sich von seinem bewegten Publikum, das ihn nicht selten schon in seinem über 50-jährigen Schaffen begleitete: „Wir sind uns nah“.
Ein großer Künstler – „wir alle brauchen doch solche, wia du oana bist!“