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20.03.2018

Scanbox und Medienkrise im Mittelpunkt des Jahresempfangs 2018

Medien beeinflussen das Leben aller Menschen. Sie spielen eine große Rolle in der Weltpolitik, in Deutschland und auch in Kaufungen. Es ist wichtig, Informationen zu transportieren und über Geschehnisse zu berichten. Doch kann man den Medien heutzutage noch volles Vertrauen schenken oder werden „Fake News“ zunehmend zum Alltagsgeschehen in der Medienbranche? 

Ganz im Zeichen der Medien und der Frage nach einer Vertrauenskrise zwischen dem gegenwärtigen Journalismus und seinem Publikum stand der diesjährige Jahresempfang der Gemeinde Kaufungen. Rund 200 Gäste aus Politik, Wirtschaft, Kirche, Vereinen und Verbänden sowie zahlreiche Bürger kamen ins Bürgerhaus Kaufungerwald, um gemeinsam den Jahresempfang 2018 zu feiern.

In seiner Begrüßungsrede hob Bürgermeister Arnim Roß die Bedeutung der Medien auch für das Gemeindeleben hervor. Es ginge darum, Informationen zu transportieren und über Veranstaltungen zu berichten. Das gelte für die Gemeindegremien, die Verwaltung, die Kirchen und die Vereine, Verbände, Initiativen und viele mehr, so der Verwaltungschef. „Das Ziel ist die Förderung des Gemeindelebens, der solidarischen Gemeinschaft und der demokratischen Prozesse vor Ort.“ Dabei würden Medien heutzutage verstärkt interessegeleiteten Angriffen ausgesetzt. „In der freien, demokratischen Gesellschaft sollen sie hingegen als vierte Gewalt zur Aufhellung, zur Transparenz beitragen, dadurch demokratische Prozesse fördern und Freiheit unterstützen“, betonte Roß. Es stelle sich die Frage, wann Berichterstattung sachlich und informativ sei und wann man von „Fake News“ sprechen müsse. „Das herauszufinden und mit Medien und der Informationsflut umzugehen erfordert ein kritisches Bewusstsein“, erklärte der Bürgermeister. Zu diesem wichtigen Thema begrüßte der Rathauschef den ehemaligen Chefredakteur der Zeitschrift GEO und Gastredner des diesjährigen Empfangs Peter-Matthias Gaede. Er freute sich darüber, den gebürtigen Niederkaufunger für eine Ansprache gewonnen zu haben. Auch Landrat Uwe Schmidt erwartete den Vortrag von Peter-Matthias Gaede mit Spannung und betonte in seinem Grußwort die zunehmende Wichtigkeit des Heimatbegriffes in einer immer schnelllebigeren Gesellschaft: „Heimat kann alles und überall sein, die Kommunalpolitik muss dies unterstützen, in dem sie eine vernünftige Infrastruktur und Begegnungsräume schafft, wo soziales Miteinander stattfindet.“ Der Landrat bedankte sich bei allen Menschen, die sich im Landkreis Kassel ehrenamtlich engagieren und damit ihre Heimat unterstützen.

Neben den einzelnen Redebeiträgen überzeugte die Jazzband der Herderschule Kassel „Preachers of Swing“ unter der Leitung von Christine Svenson mit schwungvollen Songs wie „Watch what happens“ oder „I heard it through the grapevine“. Höhepunkt des Jahresempfangs war dann die Ansprache von Peter-Matthias Gaede zum Thema „Die Medien und ihr Publikum – eine Vertrauenskrise?“. Der ehemalige Chefredakteur der Zeitschrift GEO, Vorstandsmitglied von UNICEF Deutschland und des Kuratoriums von „Reporter ohne Grenzen“ dachte zunächst nostalgisch an seine Kindheit in Kaufungen zurück und zählte einige Erinnerungen daraus auf. „Ich freue mich zurück in meiner Heimat zu sein“, brachte es Gaede auf den Punkt bevor er zum eigentlichen Thema kam: „Was ist da los in der Medienwelt?“, fragte der GEO-Chefredakteur ins Publikum. Die Auflage aller Printmedien in Deutschland sei in den letzten Jahren drastisch gesunken. Die Auflagenzahlen vom „Stern“ sind von 1,7 Millionen auf 320.000 Exemplare zurückgegangen, ähnlich beim „Spiegel“ und auch die GEO schreibt drastische Rückgange von 500.000 auf 200.000 Exemplare. Gaede fragte sich, wie es dazu gekommen sei. Er sprach von journalistischen Qualitätsverlusten durch sinkende Haushaltsmittel für Recherchearbeiten, Streichung von Korrespondentenstellen, Verkleinerung von Redaktionen bis auf ein Minimum und Schaffung von Monopolsituationen. Auch der digitalen Revolution durch das Internet sei es zu schulden, dass heutzutage jeder sein eigener Journalist sein könne und das Gefühl aufkommt, der seriöse Journalismus habe keinen Wert mehr.  „Sicherlich hat es bei uns Journalisten auch viel Arroganz gegeben, wir sind nur Businessclass geflogen, sind große SUV´s gefahren und haben von unseren Lesern mehr verlangt, als von uns selbst“, offenbarte der ehemalige Chefredakteur . „Aber was wüssten wir über den Dieselskandal oder das Leiden auf dem Mittelmeer ohne die Medien? Es gibt Journalisten, die für unsere Berichterstattung ihr Leben gelassen haben“, betonte Gaede und verwies auf die ehemalige Kaufunger Bürgerin und Kriegsfotografin Anja Niedringhaus. Doch was kann man dem Journalismus in der heutigen aufgeregten Zeit empfehlen? „Mehr Recherchieren statt Kommentieren, rausgehen und Ängste wahrnehmen, Geschehnisse einordnen und gewichten“, das sei in den letzten Jahren zu wenig geschehen, zählte der Redner auf und stellte zum Schluss klar: „Ich bin dafür, dass wir schreiben, was ist und zwar überall, nicht nur in unserer Nische.“ Großen Applaus bekam Gaede für seine eindrücklichen, unverblümten und hochinteressanten Schilderungen über die gegenwärtigen Medienlandschaft und ihr Publikum.

Weiterer Höhepunkt des Jahresempfangs war die Verleihung des mit 1000 Euro dotierten Innovationspreises für Wirtschaft, der in diesem Jahr an die Kaufunger Niels Becker und Jan Kraus ging. Sie haben mit der Scanbox ein neues Produkt entwickelt, das das Einkaufen im Supermarkt revolutionieren soll. Mit Display und Handscanner am Einkaufswagen werden Produkte direkt vom Kunden erfasst und müssen nicht mehr auf das Einkaufsband gelegt werden, was für viele Menschen, insbesondere Senioren, von großem Vorteil ist. Einen Kasseler Supermarkt konnten Niels Becker und Jan Kraus bereits als Partner gewinnen. „Mit dem Innovationspreis für Wirtschaft werden Menschen und ihre Ideen prämiert“, erklärte Gemeindevertretervorsitzende Karl Hellmich bevor er sich den diesjährigen Preisträgern zuwandte: „Die Jury hat sich für die Scanbox entschieden, da es sich hierbei um ein innovatives Konzept handelt.“  Auch Bürgermeister Arnim Roß gratulierte den Preisträgern und würdigte ihren Initiativgeist und unternehmerischen Mut.

Der Innovationspreis für Wirtschaft wird alle drei Jahre verliehen. Über die Preisvergabe entscheidet ein unabhängiges, von der Gemeinde berufenes, Komitee. Neben der Scanbox von Niels Becker und Jan Kraus gab es noch zwei weitere Projekte, die sich für den Innovationspreis beworben hatten.

Bevor der Sonntagnachmittag mit einem Imbiss und guten Gesprächen ausklang, richtete Karl Hellmich noch einmal das Wort an das Publikum und bedankte sich bei allen Beteiligten und Organisatoren für eine gelungene Veranstaltung.

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