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14.04.2011

Varietéabend


Ein Abend für Augen, Ohren und Lachmuskeln


Empfangen wurden die Besucher des Varietéabends der Kleinkunst am vergangenen Freitag im Bürgerhaus Oberkaufungen von skurrilen Gesichtern, die einen angrinsten, auslachten und grimmig oder naiv anschauten. Die „100 bekannten Gesichter“ von Günter Staniewski zeigen auf amüsante und erhellende Weise, was man alles sehen kann, wenn man wie er mit wachen Augen und scharfem Verstand durch die Welt geht. „Willkommen in der Augenwischerei“ ist denn auch folgerichtig der Titel seiner kleinen und feinen Ausstellung, die in der Wandelhalle des Bürgerhauses zu sehen ist. Was uns wohl das Moospolstergesichtchen sagen könnte, oder über was sich die beiden Schirmständer unterhalten, die ihre vogelähnlichen Köpfe konspirativ zueinander geneigt haben? Regelrecht überfahren fühlt sich offensichtlich der Gullideckel, dem nur noch ein verzweifeltes „Oh!“ aus dem zugespitzten Mund zu kommen scheint. Grinsend und leicht beschwipst hingegen wirkt der Kopfhörer, auch noch mit der passenden Frisur ausgestattet. Die Programmgestaltung für diesen besonders gelungenen Abend lag bei Kerstin Röhn und Günter Staniewski vom Theater Laku Paka. 
 
Das Publikum war nun gut vorbereitet auf das, was die Akteure Herr Fröhlich, die Theater Altrego und Laku Paka sowie Tante Lilli und Herr Lüker in den nächsten zwei Stunden auf der Bühne präsentierten – ein Feuerwerk an Akrobatik, Humor, mal etwas derber oder bissig, mal mimisch, Musik und Schlagfertigkeit, aber immer „frech, fix und folgerichtig“, so der passende Titel des Varietékleinkunstabends.
 
Durch das Programm führte der Humorbeauftragte Herr Fröhlich, der nicht nur voller Elan und Tempo über die Bühne jagte und den unmöglichsten Objekten durchaus hörenswerte Melodien entlockte, sondern auch mit den Zuschauern so seine Scherze trieb: „Haben Sie gute Laune? Dann lassen Sie es Ihr Gesicht wissen!“. Am laufenden Band gab es Gags und überaus sehenswerte Kunststückchen des Humorbeauftragten, der den Besuchern auf seine Art klar machte, dass man unter Poesie durchaus sehr viele verschiedene Dinge verstehen kann. Bei seiner Vorstellung als „welteinziger Einmannspielmannszug“ – „da spart man immerhin 35 Leute“, brach das Publikum in Begeisterungsstürme aus, ebenso beim Jogger, der alle anderen Sportler durch eine Hupe zwischen seinen Beinen vor seiner Anwesenheit warnt, oder die holländische Vuvuzela als die billigste der Welt verkauft: eine Salatgurke, wobei er einschränkend gestehen muss, dass die Anschaffungskosten etwas höher sind, da man einen Akkubohrer braucht – aber er entlockt ihr tatsächlich Töne! Und die entlockte er auch einem aufgeblasenen Luftballon, mit dem er mit der ausströmenden Luft die Melodie „Ein schöner Tag“ blies. Ob allerdings das Laubgebläse, ein kleines, stilles, heimeliges Instrument, tatsächlich als Elektroviagra für alle zu kurz gekommenen geeignet ist, mag bezweifelt werden, ebenso, ob sich seine „Erottik-Wischmop-Flöte“ auf dem Markt durchsetzen wird. Herr Fröhlich schreckte vor nichts zurück, um das Publikum „auf den Arm zu nehmen“ – durchaus wörtlich genommen! Wenn er in Anspielung auf Heinz Erhardt ankündigte „Ich erzähle ihnen noch kurz ein Gedicht…“, waren die Zuhörer schon auf weitere „Lachmuskelattacken“ vorbereitet. Wortwitz, Schnelligkeit und Akrobatik zeichneten seine herrliche Moderation aus, deren Höhepunkte ganz ohne Zweifel der „Fuperman“ und seine „menschliche Glasharfe“ waren – wahrlich ein Meister seines Faches! 
 
Stiller, aber nicht weniger humorvoll, ging es beim Theater Altrego her. Da stehen zwei schwarz gekleidete Männer auf der Bühne, zwischen sich eine Kiste. Doch was öffneten sie für eine wundersame Schatzkiste: Aus undefinierbaren Einzelteilen, die sie daraus hervorholten und die für sich allein durchaus mit etwas Phantasie das eine oder andere spezifische Körperteil darstellen konnte, entsteht so „der Schöne“, eine nicht gerade hübsch anzusehende Gliederpuppe, die aber durchaus trotz ihrer nicht großen körperlichen Reize auf ein bestimmtes Körperteil, das nun mal zu einem Mann gehört, auch wenn es nur eine Puppe ist, sucht und auf seinen „Einbau“ besteht – mit Nachdruck! Natürlich braucht ein Mann eine Partnerin und wie durch Zauberhand wird wiederum aus verschiedenen Einzelteilen eine passende Partnerin für den „Schönen“ erschaffen, die es allerdings in sich hat, nicht umsonst ist sie das Biest! Die Schatztruhe wird nun zum Liebesnest – Intimsphäre fast garantiert. Als die Partnerin dann aber „gerettet“ wird, findet der Schöne Trost bei den Männern von Altrego. Die Interaktion der beiden Puppenspieler mit ihren Puppen ist faszinierend, und wenn man einer Puppe Mimik zusprechen möchte, dann dieser. Da legt sie liebevoll ihre Arme um die beiden Puppenspieler Viktor Kucera und Dirk Volkmann, heult sich an ihrer Brust aus und kommuniziert mit ihnen, freut sich, ist überrascht und traurig – dieses Marionettenspiel war ein Erlebnis.
 
Und dann kam Ingo Klein, Mitarbeiter beim Theater Laku Paka, während seines Auftrittes unterstützt von Günter Staniewski, und der „Quotenknispel“. Er setzt sich mit etwas nörgelnder Stimme und bekleidet mit einem Trenchcoat, vehement, dafür ein, dass das Alter in der Kleinkunst nicht diskriminiert werden darf, auch wenn das Haltbarkeitsdatum schon abgelaufen ist und man zur „Gammelfleisch-50+-Generation“ gehört. Für Ingo Klein ist es eine grauenhafte Vorstellung, wenn wir demnächst alle 200 Jahre alt werden, dass er dann im Seniorenstift ständig von tanzwütigen 90-jährigen Frauen belästigt werden könnte. Auf der anderen Seite hat jedoch das Alter auch gewisse Vorteile: „Ich guck mir heute alles an und nichts bleibt hängen!“ Als Reiseziel empfiehlt er eine Reise in den Kopf: fantastische Hohlwege mit grandiosen Kalkformationen. Günter Staniewski hat mit seiner Puppe Ingo Klein auf eindrucksvolle Weise demonstriert, wie man ein eigentlich ernstes Thema varietébühnentauglich machen kann – und was hängen bleibt auf jeden Fall!
 
Auch mit seinem zweiten Auftritt, dieses Mal unterstützt von Kerstin Rhön, hatte Günter Staniewski beim Publikum ins Volle getroffen. Mariandl und Mariandl, die dreieiigen Zwillinge der Volksmusik: „Da sind wir wieder – in Kaufbeuren!“, war denn auch die aufgeräumte Begrüßung der beiden Dreieiigen. Zum bekannten Volkslied „Es läuten die Glocken am Königssee“ bewegten sie gekonnt und geschickt ihre Glöckchen. Auch wenn Mariandl 1 ab und an etwas aus der Reihe tanzte, war es ein außerordentlich harmonischer Auftritt – Mariandl 2 konnte sich schließlich durchsetzen.
 
Musikalisch und Grammatisch ging es schließlich bei Tante Lilli und Herrn Lüker her. Endlich bekam auch Kaufungen zu seinem 1000. Geburtstag sowohl ein Kompliment („Ich habe letztes Jahr so viel für Antifaltencremes ausgegeben und Kaufungen wird 1000 und hat nicht eine!“) als auch ein Geburtstagsständchen, das gemeinsam mit dem Publikum gesungen wurde. Dann wurden fleißig Substantive konjugiert, über den Konjunktiv diskutiert, Sätze mit Genitiv und Dativ gebildet („Geh-nie-tief ins Wasser, da-tief.“) oder auch mit „Präservativ“ und Perfekt („Sie hätte nie geboren werden dürfen!“). Breiten Raum nahm auch die Auseinandersetzung mit der passenden Unterwäsche ein: String Tanga oder doch lieber eine praktische lange Unterhose, mit der man immerhin, wenn man sie nicht mehr anziehen kann, noch die Treppe putzen kann. Der String Tanga kann höchstens noch als Zahnseide dienen. Beim „Clean-machine-Rapp“ schließlich sang das Publikum aus vollem Hals mit.