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14.08.2019

Kaufunger Blauer Sonntag mit Ausstellungen und Themenführung

„Hand in Hand“ hieß das diesjährige Motto des Blauen Sonntags im Netzwerk Industriekultur. Das Miteinander im dörflichen Alltag wurde an beiden Standorten des Museums auf anschauliche Weise beleuchtet. Die analoge Kommunikation – mit all ihren Beschwerlichkeiten, aber auch ihrem Vergnügen wird anhand vieler gesammelter Gegenstände in der Sonderausstellung „Als es noch kein Smartphone gab…“ im Regionalmuseum erzählt. Zeitzeugen berichten von der Zeit, als Fernseher und Telefon noch nachbarschaftlich geteilt wurden. Im Bergwerkmuseum Rossgang konnten viele interessante Werkzeuge und Geräte aus der Zeit der Industrialisierung bestaunt werden.

Am Mittag folgten zahlreiche Interessierte Gästeführerin Barbara Orth im Regionalmuseum Alte Schule in den Bergwerkskeller und anschließend durch den Ortskern Oberkaufungens. Ein spannendes Thema mit aktuellem Bezug stand im Vordergrund dieser besonderen Ortsführung: „Warum auswandern? Kaufunger Wirtschaftsflüchtlinge in den 1850er Jahren“.

Bei ihren Recherchen zu diesem geschichtlichen Aspekt Kaufungens stieß Barbara Orth auf etliche interessante Dokumente und Statistiken und es zeigte sich, dass auch in unserem Ort im 19. Jahrhundert viele Bürgerinnen und Bürger ihre Heimat verließen. Die Motive hierfür zeigen eine Parallele zur heutigen Flüchtlingssituation auf: die Menschen sahen aus wirtschaftlichen Gründen keine Perspektive mehr, an ihren Wohnorten zu bleiben. Hungerjahre aufgrund von Missernten sowie schwierige Lebens- und Arbeitsbedingungen führten zu einem Notstand und veranlassten sogar die damalige Regierung dazu, einen Spendenaufruf zu starten und an Mildtätigkeiten der Mitbürger zu appellieren. Trotzdem machten sich viele Bewohner Kaufungens auf den langen Weg in die Fremde und sie nahmen als Auswanderer für ein vermeintlich neues Glück katastrophale Reisebedingungen in Kauf. In der Zeit zwischen 1840 und 1880 waren es bei zirka 3.100 Einwohnern insgesamt rund 470 Personen, die ihrem Land den Rücken kehrten. In ihrem Entschluss bestärkt wurden sie durch verlockende Angebote von Agenten aus Bremen, die mit Aushängen und auch mit persönlicher Werbung in Gasthäusern und Schänken kräftig Werbung für die Schiffsüberfahrten machten. Auch in jener Zeit gab es nicht nur Agenten mit ordentlicher Lizenz, sondern auch schwarze Schafe, die den Schleppern von heute ähnelten. Über das damalige Carlshafen ging es auf der Weser nach Bremen und dann mit Schleppkähnen zum Überseehafen Bremerhaven. Die anschließende Überfahrt nach Amerika auf Segelschiffen dauerte in der Regel mindestens acht Wochen und nicht selten war bei der Ankunft in New York das mühsam ersparte Geld bereits verbraucht. In den USA passten sich die Deutschen nur schwer an das dortige Leben an, lebten oft unter Ihresgleichen und pflegten die deutsche Sprache und das deutsche Liedgut. Bemerkenswert ist auch hier die Parallele zu heutigen Integrationsschwierigkeiten.

Gästeführerin Barbara Orth sensibilisierte die Besucher an diesem Blauen Sonntag an vier markanten Standorten im Altdorf für dieses zeitgemäße Thema, gab Einblicke in die damaligen Lebensverhältnisse und schaffte Offenheit für neue Gedanken rund um das Thema „Flüchtlinge und Integration“.