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18.07.2011

Konstantin Wecker


„… und dann fängt dich unendlich sanft etwas auf!“


Traurig, melancholisch, nachdenklich, liebevoll, zärtlich, lyrisch, temperamentvoll, aufsässig, politisch, zynisch, frech, frivol, jungenhaft, und, und, und. Man könnte diese Aufzählung noch um einiges verlängern, doch zeigt sie schon anschaulich die Bandbreite dessen, was der Musiker, Liedermacher, Komponist und Schauspieler Konstantin Wecker in seinem Programm „Stürmische Zeiten, mein Schatz“, gemeinsam mit Jo Barnikel und dem Spring String Quartet, in der ausverkauften Stiftskirche am Sonntagabend dem begeisterten Publikum bot.
Maren Matthes, Intendantin des Kultursommers Nordhessen, begrüßte die Zuhörer und freute sich, dass auch dieses Konzert, eine Kooperation zwischen der Gemeinde Kaufungen, der evangelischen Kirchengemeinde Oberkaufungen und Kultursommer Nordhessen, so gut angenommen worden ist. Es sei ein besonderes Konzert, das auch an einem besonderen Platz stattfindet, nämlich der Stiftskirche.
Charmant und aufgeräumt präsentierten sich dann Konstantin Wecker und seine Mitspieler, der Pianist Jo Barnikel und das Spring String Quartet, bestehend aus Christian Wirth (Violine), Marcus Wall (Violine), Stephan Punderlitschek (Violoncello) und Julian Gillesberger (Viola).
Locker ging es los, brachte er durchaus die Dinge auf den Punkt, mit Selbstironie und Witz, wie der Erkenntnis, dass, wenn es keine Bücher gäbe, die Menschen dem Sex hilflos ausgeliefert wären. Seitdem betrachte er Buchläden aus einem anderen Blickwinkel. Aber damit es kein Abend mit „Herrenwitzen“ wurde, folgte schnell der Übergang zur Poesie und Liebeslyrik. Hierbei griff Wecker sowohl auf eigene Stoffe, aktuelle und aus vergangenen Jahren, als auch Werken deutscher Dichter zurück, wobei Goethe sein Favorit ist. Die Texte, vorgetragen mit seiner unverwechselbaren tiefen Stimme, gingen unter die Haut, waren tiefsinnig und machten nachdenklich, waren manchmal aber auch einfach nur von einer unglaublichen Schönheit und Poesie. Man merkte, dass Wecker in München Philosophie und Psychologie studiert hatte, bevor er sich ganz der Musik und dem Schreiben verschrieb. Zahlreiche Veröffentlichungen von ihm sind mittlerweile erschienen, „Stürmische Zeiten, mein Schatz“ ist die bisher letzte, aber eine neue, „Wut und Zärtlichkeit“, bereits in Vorbereitung.
Doch auch der politische und kämpferische Wecker kam zu Wort. Vor 40 Jahren sei er angetreten, um die Welt mit seinen Liedern zu verändern. Und wenn er sich die Welt jetzt anschaue… „Ich war’s nicht!“, stellt er lautstark fest und stimmt das Lied „Genug ist genug“ mit Anspielungen auf die „Bänker“, vor allem die Leman brothers, an. Die rockige Musik nach Deep Purples „Smoke on the water“ gab den passenden Rahmen. Entsprechend bezeichnete er die Musiker des Spring String Quartetts als die Hells Angels der Streichquartette. Auch die Revolution in Ägypten fand ihren Niederschlag in seinem Programm.
In stetigem Wechsel ging es so durch das Programm, das Publikum bekam keine Ruhepause vergönnt, es begleitete Wecker durch Höhen und Tiefen des Menschseins, hätte mit ihm weinen können, kämpfen oder lachen – ein Wechselbad der Gefühle.
Ein emotionaler Höhepunkt war ohne Zweifel die Liebeserklärung an seinen Vater. Er habe aus der Liebe zu seinen Eltern nie einen Hehl gemacht. Viele seiner Kommilitonen hätten mit der Nazi-Vergangenheit ihrer Väter Probleme gehabt, seiner habe den Dienst an der Waffe verweigert. Sein Vater hat in ihm die Liebe zur Musik geweckt. Es war zum Heulen schön, passend mit Musik aus Puccinis „Turandot“, als er bekannte: „Wenn ich an meinen Vater denken muss, denk ich, ach Gott, hab’ ich dich lieb!“.
Überhaupt sind Liebe und Tod für ihn untrennbar miteinander verbunden. Er spekuliert durchaus darauf, dass es ein Leben gibt nach dem Tod; für das Abenteuer Tod will er gewappnet sein, und daher ist es für ihn legitim, sich das günstigste vorzustellen: „Da muss doch noch irgendwas sein…“, und „Ich weiß, nichts bleibt in der Zeit.“.
Sein großes Können und seinen Humor zeigte er dann gemeinsam mit seinen Musikern, denen man wie Wecker auch die große Spielfreude anmerkte, bei den insgesamt vier Zugaben. Zum Text des Kinderliedes „Ein Männlein steht im Walde“ lieferte er sich regelrechte „Klavierduelle“ mit Jo Barnikel, das Publikum ging begeistert mit, stand auf, klatschte, lachte, schrie. Mit einem italienischen Liebeslied verabschiedete er sich dann nach fast 3 Stunden endgültig vom Kaufunger Publikum: „… dass ich ohne dein Lieben erfrier!“.