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Adventsauftakt im Regionalmuseum mit einer Lesung im Friedensprojekt

Mit hundert Besuchern war der erste Advent im Regionalmuseum ein voller Erfolg.Almut Weingart las im Museumscafé der ‚Alten Schule‘ aus ihrem Buch „Fremde in der Heimat - Heimat in der Fremde: Der lange Weg nach Kaufungen“. Der Freiheiter Bürgerverein versorgte die Kaffeegäste, während Frau Phieler die Veranstaltung am Klavier begleitete.

Flüchtlinge als Teil der Ortsgeschichte

Um die Jahrtausendwende hatte die Autorin eine Reihe von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen interviewt, und sie nach ihren Fluchterlebnissen und ihren ersten Schritten im Landkreis Kassel befragt. Das Buch entstand im Kontext einer Ausstellung des Regionalmuseums: Ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollte die Geschichte dieser Kaufungerinnen und Kaufunger als Teil unserer Ortsgeschichte öffentlich erinnert und für nachfolgende Generationen bewahrt werden. Fünf Millionen Entwurzelte suchten damals in Deutschland ein Zuhause. „Was mögen die Menschen empfunden haben, wenn sie von einem Tag auf den anderen den Mittelpunkt ihres Lebens verlassen mussten und nur das Nötigste mitnehmen konnten“, schreibt die Autorin im Vorwort. „Und es ist sicher ein schreckliches Gefühl, ohne Hab und Gut in der Fremde zum Bittsteller zu werden, obwohl man in der Heimat ein angesehenes Leben geführt hat. Plötzlich ist man auf fremde Menschen angewiesen und kann gut nachvollziehen, warum sie misstrauisch sind und nur zögernd Fremde aufnehmen wollen.“

Die im und mit dem Buch vorgenommene Erinnerungsarbeit hatte vor fünfzehn Jahren viele Menschen im Ort bewegt und das Buch war längst vergriffen.

Kalter Krieg im Kaufunger Alltag

2015 haben wir das Thema mit einem Blick auf den Kalten Krieg aus der Perspektive der Kaufungerinnen und Kaufunger ‚fortgeschrieben‘. Das Regionalmuseum zeigt derzeit im Rathausfoyer die Ausstellung „Zwischen Kaltem Krieg und Wiedervereinigung: Leben mit der Zonengrenze in Kaufungen“. Die Kaufunger Feuerwehr ergänzt mit einer Fotoausstellung zur 25 Jahre währenden Partnerschaft mit der Feuerwehr Walschleben/Erfurt. Die beiden Ausstellungen sind Teil des Kaufunger Friedensprojektes. Sie erzählen, wie in den Nachkriegsjahren Kontakte über Grenzen gehalten und aufgenommen wurden, wie Fremde aufeinander zugingen, wie friedliches Zusammenleben erarbeitet, erstritten, erlebt wurde. Welche Rolle Flüchtlingsansiedlung und deutsche Teilung in der Geschichte der Kaufunger Altdörfer spielten und wie sich die deutsch-deutschen Beziehungen bis zur Wiedervereinigung veränderten, spiegelt sich in den im Rathaus erzählten Geschichten. Sie bewahren Alltagserfahrungen, die schon den heute unter Dreißigjährigen fremd sind.

Das Flüchtlingsthema ist aktuell

Almut Weingart und ihre Kaufunger Verleger griffen den Faden der Ausstellung auf und brachten eine Wiederauflage des Flüchtlingsbuches heraus.

Dieses wurde nun im Museumscafé der Öffentlichkeit vorgestellt. Fünfzehn Jahre später wirken die bewegenden Berichte noch aktueller: Über täglich neue ‚Fremde in der Heimat‘ lesen wir in den Zeitungen; zahlreiche Menschen auch im Ort – wie die Nachbarschaftshilfe Kaufungen – versuchen die Ankommenden darin zu unterstützen, eine ‚Heimat in der Fremde‘ zu finden. Wer wüsste besser als die damaligen Neubürger/innen Ober- und Niederkaufungens, dass Integration nicht von selbst entsteht. Almut Weingart resümiert: „Beide Seiten waren gezwungen, es miteinander zu versuchen. Irgendwann hat man selbstverständlich zusammengelebt.“

Bürgermeister Ross hatte in seiner Begrüßung daran erinnert, dass die von deutschem Boden ausgehende Gewalt Flucht und Vertreibung einst ausgelöst hatte. Willkommenskultur gegenüber heute vor Gewalt Fliehenden sei deshalb selbstverständlich.