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11.02.2025

Zum 30. Mal ein Heimspiel für Kabarettist Bernd Gieseking

„Bevor ich mit dem Jahresrückblick beginne, muss ich etwas Trauriges mitteilen: Meine große Förderin war die Gemeinde Kaufungen, doch eigentlich war es immer „Helga“, und Helga geht in den Ruhestand“, sagte der sonst so fröhliche Kabarettist mit ernstem Gesicht. Ein vielstimmiges Raunen ging durch das vollbesetzte Bürgerhaus. „Auch Jörg, der Hausmeister, verabschiedet sich in den Ruhestand. Ich kann es kaum glauben. Ich weiß nicht, ob ich je wieder hier auftreten werde oder ob jemand das Licht für mich anmacht. Denen, denen ich mich seit Jahrzehnten verbunden fühle, bitte ich um großen Applaus.“ Besser hätte Bernd Gieseking nicht starten können – er sammelte sofort Sympathiepunkte bei seinen Fans. Nach 30 Jahren regelmäßiger Auftritte in Kaufungen hat er eine treue Fangemeinde, die an diesem Jubiläumsabend nicht mit Applaus geizte.

„Ihr Lieben, jetzt zu meinem satirischen Jahresrückblick 2024. Dieses Jahr mit neuen Texten und neuen Wörtern, denn der Duden ist 2024 in der 29. Auflage erschienen. Zum Beispiel Granola – keine Ahnung, was das ist, aber jetzt weiß ich, wie man es schreibt.“ Gieseking ist seit den 1980er Jahren auf deutschen Kabarettbühnen aktiv. Seine scharfzüngigen Kommentare und satirischen Betrachtungen des Zeitgeschehens präsentiert er humorvoll und nachdenklich. Ein Höhepunkt seiner Arbeit ist der jährliche Rückblick „Ab dafür! “, der seit den 1990er Jahren fester Bestandteil seines Programms ist. Hier nimmt er die Ereignisse des vergangenen Jahres aufs Korn und präsentiert sie komödiantisch und tiefgründig.

„Zurück zu 2024. Ich habe für jeden Monat das Gesicht des Monats gewählt. Ich möchte meinen Rückblick positiv halten. Der Ukraine-Krieg, der Terrorangriff der Hamas, die Bombardierung von Gaza – das sind Themen, die sich der Satire entziehen, und die lasse ich heute Abend aus.“ Damit sorgte er erneut für spontanen Applaus und weitere Sympathiepunkte. Im Januar nahm er die „Letzte Generation“ aufs Korn. Bei einer Pressekonferenz verkündeten sie, künftig auf Straßenblockaden zu verzichten. Giesekings Kommentar: „Das war eine Krise für die Klebstoffindustrie, da stehen Arbeitsplätze auf dem Spiel. Heute Abend auch kein Wort über Dubai-Schokolade, ich bleibe bei Vollmilch-Nuss von Milka – macht genauso dick.“ Der gebürtige Mindener, tief mit Kassel verwurzelt, ist ein zuverlässiger Chronist im Chaos der Zeiten. Er nimmt kein Blatt vor den Mund: „BSW ist der IS des Ostens. Darf man mit der AfD im Fahrstuhl fahren? Aber dann bitte nur nach unten.“ In seinem neuen satirischen Rückblick sind die Gesichter des Monats der rote Faden. Beim Gesicht des Monats August steigerte er sich: „Gewerkschaftsfunktionär Weselsky ist der Beweis, dass die Wiedervereinigung zu früh stattfand.“ Er wäre ein moderner Jesus, der sich selbst ans Kreuz genagelt hat.
Gieseking schneidet so scharf, worauf mancher Metzger neidisch wäre. Das Nebeneinander großer Ereignisse und privater Sicht, das Formulieren des Großen-Ganzen in witzigen Geschichten, das Überspitzen oder süffisante Zitieren machen „Ab dafür“ einzigartig. Ein weiteres Merkmal ist seine entspannte, fast freundschaftliche Art des Vortrags. Gieseking spricht oft direkt das Publikum an und bezieht es in seine Geschichten ein. So entsteht eine besondere Atmosphäre, die seine Auftritte zu einem persönlichen Erlebnis macht.

Neben seiner Tätigkeit als Kabarettist ist Bernd Gieseking auch als Autor erfolgreich. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, die humoristische Anekdoten aus seinem Leben oder Satiren über den Zeitgeist enthalten. Gieseking dankte den Kaufungern mit drei Zugaben aus seinem neuesten Buch „Das kuriose Ostwestfalenbuch“ und versprach, wiederzukommen. Dann leider ohne seine große Unterstützerin Helga Noll-Hartwig, die als Gemeindereferentin für Kultur und Tourismus im verdienten Ruhestand sein wird. (hgp)