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06.10.2011

Bürgermeister Roß legt Widerspruch gegen Strombeschluss ein

Bürgermeister Roß legt Widerspruch gegen Strombeschluss ein

Bürgermeister Arnim Roß hat am 22.09.2011 vorsorglich Widerspruch gegen den Beschluss der Gemeindevertretung vom 08.09.2011 eingelegt, mit dem das Parlament die Beteiligung Kaufungens an der Gründung eines gemeinsamen Versorgungswerkes für den Betrieb der Stromnetze abgelehnt hat. Dieser Widerspruch geschah, um möglichen Schaden von der Gemeinde abzuwenden, nachdem das Parlament in seinen Sitzungen vom 08.09. und 22.09.2011 sowohl die Beteiligung Kaufungens am Versorgungswerk, als auch den Abschluss eines reinen Konzessionsvertrages abgelehnt hat. Die Konsequenz wäre nun eine neue Ausschreibung, aber dazu hat das Parlament dem Gemeindevorstand keinen Handlungsauftrag erteilt. „Nach einem zweijährigen Ausschreibungsverfahren steht die Gemeinde damit ohne Ergebnis da und ohne Plan für das weitere Vorgehen. Aufgrund dieser Sachlage habe ich vorsorglich Widerspruch gemäß § 63 Abs.1 HGO gegen den Beschluss vom 08.09.2011 eingelegt“, erklärt Bürgermeister Roß. Denn die Ablehnung beider Ausschreibungsergebnisse ohne alternatives Konzept gefährde das Wohl der Gemeinde. Der Widerspruch hingegen habe aufschiebende Wirkung und dadurch werde Zeit gewonnen, so Roß. Die Gemeindevertretung muss in der nächsten Sitzung nun noch einmal über die Beschlussempfehlung des Gemeindevorstandes zum Versorgungswerk beraten. Dadurch bleibe der Gemeinde diese Handlungsoption erhalten, falls in der nächsten Sitzung kein mehrheitsfähiger alternativer Antrag zum Umgang mit dem Stromnetz und dessen Konzessionierung vorliege, ergänzt Bürgermeister Roß.
 
In der Gemeindevertretung Kaufungen gibt es, das haben die bisherigen Diskussionen und Abstimmungen gezeigt, eine breite Mehrheit für die Übernahme der Stromnetze in Gemeindeeigentum. Diese Mehrheit ist sich bisher allerdings nicht über den Weg dorthin einig. Ebenso gibt es eine breite Ablehnung eines reinen Konzessionierungsvertrages, bei dem das Kaufunger Stromnetz in fremder Hand bliebe. Daher erfolgte der Widerspruch gegen den Beschluss zum Versorgungswerk.
 
Ein neues Ausschreibungsverfahren ist zeitintensiv, allerdings steht nicht mehr viel Zeit zur Verfügung. Der gültige Konzessionsvertrag mit E.ON läuft zum 31.12.2011 ohne Verlängerungsoption aus. Aufgrund gesetzlicher Bestimmungen muss E.ON der Gemeinde noch für ein Jahr, also bis 31.12.2012 die Konzessionsabgabe zahlen. Ab 2013 ist E.ON dazu nicht mehr verpflichtet. Die Gesetzeslage und Rechtsprechung sind hier nicht eindeutig und daher besteht für die Gemeinde Kaufungen kein Anspruch auf Weiterzahlung. Ein neues Ausschreibungsverfahren muss also zielstrebig und strukturiert durchgeführt werden. Darüber hinaus muss klar sein, so Bürgermeister Roß, dass das Ergebnis eines eventuellen neuen Ausschreibungsverfahrens dann auch akzeptiert werde. Denn ein drittes Ausschreibungsverfahren sei niemandem mehr vermittelbar. Man könne eine Sache nicht beliebig oft ausschreiben, kommentiert Roß. Doch zunächst müsse für eine neue Ausschreibung ein Konzept her. Bürgermeister Roß ist allerdings hoffnungsvoll, dass dies den Fraktionen gelingen wird. Alternativ können sie aber auch dem Versorgungswerk mit E.ON doch noch zustimmen. „Dieser Weg ist durch den Widerspruch offen geblieben. Die Fraktionen der Gemeindevertretung sind nun aufgefordert, einen tragfähigen und ökonomisch verantwortlichen Vorschlag zu erarbeiten und darüber Konsens herzustellen“, sagt Bürgermeister Roß. 
  
   
Hintergrund
Die Gemeinde Kaufungen hatte seit 2009 aufgrund eines einstimmigen Beschlusses der Gemeindevertretung vom 05.02.2009 an einem gemeinsamen Ausschreibungsverfahrens mit 23 weiteren Kommunen des Landkreises Kassel zum Neuabschluss der Konzessionsverträge und zur Gründung eines gemeinsamen Versorgungswerkes zur Übernahme der örtlichen Stromverteilnetze teilgenommen. Das Ausschreibungsverfahren war ergebnisoffen gestaltet worden, d.h. es wurde sowohl eine Übernahme (Rekommunalisierung) der Stromnetze ausgeschrieben als auch die reine Konzessionierung der Stromnetze. Für beide Teile der Ausschreibung liegen die Ergebnisse vor. Die Angebote galten bis 30. September 2011. Der Gemeindevorstand hatte in der Sitzung der Gemeindevertretung vom 21.06.2011 die Beschlussempfehlung zur Gründung eines gemeinsamen Versorgungswerkes mit weiteren Kommunen aus dem Landkreis und E.ON als Kooperationspartner eingebracht, die seitdem ausführlich in den Ausschüssen diskutiert wurde. Nachdem die Gemeindevertretung am 08.09.2011 das Versorgungswerk mit E.ON als Kooperationspartner knapp mit 17 zu 14 Stimmen abgelehnt hatte, stellte der Gemeindevorstand in einer weiteren Sitzung der Gemeindevertretung am 22.09.2011 den Abschluss eines reinen Stromkonzessionsvertrages mit der Energie Waldeck-Frankenberg GmbH, also das zweite Ergebnis der Ausschreibung, zur Abstimmung. Das Parlament lehnte mit großer Mehrheit von 20 zu 12 Stimmen auch diese Vorlage ab.
 
§ 63 Abs. 1 HGO besagt:
„Verletzt ein Beschluss der Gemeindevertretung das Recht, so hat ihm der Bürgermeister zu widersprechen. Der Bürgermeister kann widersprechen, wenn der Beschluss das Wohl der Gemeinde gefährdet. Der Widerspruch muss unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach der Beschlussfassung gegenüber dem Vorsitzenden der Gemeindevertretung ausgesprochen werden. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Über die strittige Angelegenheit ist in einer neuen Sitzung der Gemeindevertretung, die mindestens drei Tage nach der ersten liegen muss, nochmals zu beschließen.“