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10.09.2013

Samuel Koch in Kaufungen


Das Privileg zu sein


Der neue Bürgerhaussaal war bis auf den letzten Platz besetzt. 440 Besucher, viele junge Menschen - teilweise mit ihren Eltern -, auch einige Rollstuhlfahrer warteten gespannt auf einen ganz besonderen Abend. „Zweimal Samuel“ luden am 4. September zu einer Konzertlesung ein: Samuel Koch, der verunglückte „Wetten, dass - Kandidat“ stellte sein Buch „Zwei Leben“ vor und wurde dabei begleitet von seinem Freund Samuel Harfst, einem mittlerweile recht erfolgreichen Liedermacher. Veranstaltet wurde der Abend von Thorsten Riewesell, Geschäftsführer einer Kaufunger Eventagentur und Vorsitzender von „Jumpers“, einer Initiative, die Jugendlichen Perspektiven für die Zukunft aufzeigen möchte: „Wir freuen uns schon seit langer Zeit, dass so ein Abend hier in Kaufungen stattfinden kann, denn wir finden es wichtig, solche Leute zu hören.“


Nach einem leisen Klavierstück wird ein aufgestellter, schwarzer Paravent geöffnet und Samuel Koch wird vom Publikum stürmisch begrüßt. Leise sagt er Hallo, sucht den Kontakt zu den Zuschauern und kündigt seinen Freund und Musiker an. Schnell spielt sich der

mittelhessische Songwriter Samuel Harfst mit seiner Band in die Herzen der Zuhörer. Seine Lieder erzählen von  Wünschen, Erlebnissen und Alltagsgeschichten und die Klarheit und Vielfältigkeit des Sounds faszinieren von Beginn an. Szenenwechsel: im rechten Teil der Bühne stehen zwei Ohrensessel, eine Stehlampe sorgt für warmes Licht, die beiden Samuels sitzen nebeneinander. Lesepassagen aus dem Buch „Zwei Leben“ folgen kurze Gespräche - über die Jugend, über Sportarten, darüber, wie angenehm das Bürgerhaus und die Menschen vor Ort empfunden werden. Samuel Koch wirkt dabei sympathisch und stellenweise humorvoll und trotzdem legt sich eine dichte Stimmung über den Raum, wenn er liest und von seinem Leben vor und nach dem Unfall mit den Sprungstelzen bei „Wetten, dass“ berichtet. „ Das beste Schmerzmittel war für mich früher die Bewegung. Und genau dieses Schmerzmittel stand mir nun nicht mehr zur Verfügung!“ 


Samuel Harfst fragt einfühlsam nach und diese Kombination aus Lesung und Gespräch ergibt einen authentischen Einblick in Samuel Kochs neues Leben im Rollstuhl. Dabei wird auch die Frage nach Gott berührt - beide sind gläubige Christen. Samuel Koch: „Natürlich gab es viele Diskussionen mit Gott. Aber irgendwann ging eine Glühbirne in meinem Kopf an und ich habe nach dem Plan gefragt - nach Gottes Plan für mich.“ Und er berichtet von dem Ziel, im nächsten Jahr sein Schauspiel-Diplom an der Hochschule für Musiktheater und Schauspiel in Hannover zu erwerben. Es ist das Wechselspiel aus Lesung und Musik, das an diesem Abend im Bürgerhaus fasziniert. Lieder mit eindrücklichen Texten, wie „Abschied“, „Sehenswürdigkeit“ und „Fürchte dich nicht“ sowie Samuel Harfsts Gedicht „Wendepunkt“ unterstreichen bewegend die Erzählungen seines Freundes.
Wichtig ist Samuel Koch, zu betonen, dass er nicht der Einzige ist,

der im Rollstuhl sitzen muss: „Es gibt viele Menschen, die ebenfalls Unterstützung und Hilfe brauchen.“. Besonders bewegend ist die Lesung aus dem Schlussabschnitt seines Buches, das Thema Hoffnung auf Heilung betreffend: „Wunder passieren nicht auf Knopfdruck. Aber Hoffen ist erlaubt!“. Und die leise Beschreibung seines Traumes, einfach wieder laufen zu können, um des Laufens willen und sich zu bewegen, „einfach, weil man es kann“ - lässt bei den Zuhörern eine gespannte Stille eintreten.
Er beendet seine Lesung mit einem Text aus dem Hebräerbrief der Bibel und nach einem langen Moment der Ruhe wird er mit starkem, anerkennenden Applaus bedacht.